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Full text of "Camões, ein philosophischer Dichter, dargestellt nach seinen Lusiaden"

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UC-NRLF 

11111.1: 



iiliil 



CAMOES, 

ein philosophischer Dichter. 



Dargestellt 

zieicli seiziezi Xj-va.sieidLezi 

von 

Phil. Dr. Hermann y. Suttner-Erenwiii, 

k. k. Professor i. P., Ritter des kais. osterr. Franz Josef-Ordens, 

Gomthur des kon. span. Ordens Isabella's II., der Katholischen, 

immatrikulirtem Hitglied der philosoph. Fakultät der k. k. üni- 

rersitäten zu Wien und Prag, emeritirtem Decan etc. etc. 



^^, 



W^' 



Wien, 1883. 
Druck und Verlag von Ludwig Mayer 

(Rudolf Brzezowskjr), IV. Hauptstrasse 11. 



Den durohlaachtigsten 

HerreD Erzherzogen 

LEOPOLD ui nm 8ALTAT0K 

von Toskana 



ehrfurchtsvollst gewidmet 



der Verfasser. 

443571 



Das Studium der deutschen Sprache 
und Literatur, sowie der Geschichte, denen 
sich Ihre kaiserlichen Hoheiten mit eben so 
viel Liebe und anerkennenswerthem Eifer 
einerseits, als seltenem Erfolge andererseits 
widmeten, und deren Leitung mir während 
der letzten Jahre allerhöchsten Ortes anver- 
traut worden, hat in mir den Gedanken rege 
gemacht, die Ergebnisse meiner langjährigen 
romanischen Studien während des ersten 
Jahres der Ruhe von meiner öffentlichen 
Lehrthätigkeit zu sammeln, auf diese Art 
einen kleinen Beitrag zur Kenntnis der ro- 



manischen Literatur zu liefern und den 
kaiserlichen Hoheiten zu widmen. 

Möge diese Arbeit den Beweis von dem 
unschätzbaren Genuss abgeben, den mir 
diese dem sprachwissenschaftlichen und 
historischen Studium gewidmeten Unter- 
richtsstunden gewährten, zugleich aber dem 
lebhaften Wunsch Ausdruck verleihen, Ihre 
kaiserlichen Hoheiten mögen sich beim 
Anblicke dieses Buches der — bei im- 
merwährend angestrebter Vereinigung des 
sämmtlichen Wissensstoffes mit unveränder- 
hchen praktischen Grundsätzen — klug und 



heiter zugebrachter Jugendjahre stets fro- 
hen Herzens erinnern. 

Geruhen kaiserliche Hoheiten, bei Ge- 
legenheit dieser Widmung den Ausdruck 
meiner besonderen Verehrung zu geneh- 
migen. 

WIEN, Juni 1883. 

Phil. Dr. Hermann yod Suttner-Erenwin. 



Uie erste Veröffentlichung dieser Schrift 
gieng von der zur besonderen Pflege der 
klassischen, romanischen und anderer leben- 
der Sprachen berufenen Gymnasiallehranstalt 
der k. k. Theresianischen Akademie als Pro- 
gramm des Jahres 1870 aus. Jahre flohen 
dahin, während deren sich der Wunsch Einiger 
meiner ehemaligen Schüler und Freunde 
romanischer Sprachstudien entwickelte und 
zu äussern begann, den ihnen am Gymnasium 
lieb gewordenen Dichter Camoens genauer 
kennen zu lernen und den Werth, den die 
Dichtung desselben für einen ernsten sich 
nicht sowohl mit bloss theoretischen , als 
vielmehr mit praktischen Untersuchungen 
giltiger Probleme desLebens beschäftigenden 

Denker immer bewahren werden, gründlicher 

1 



— 2 — 

ZU schätzen. Diesem Wunsche wollte ich 
willfahren, — und so erschien — wegen 
einer nur sehr beschränkten Anzahl von 
vorräthigen Exemplaren der ersten Auflage 
— bei nicht geänderter principieller -Be- 
handlungsweise des vorliegenden Stoffes 
nach fast einem Decennium ganz unge- 
ändert „Camoens, ein philosophischer 
Dichter, 2, Auflage." Was wurde dadurch er- 
reicht ? — Ein nochmaliger klarer Blick auf 
die hohen Ziele, welche die Träger der 
Gultur der Menschheit des 16. Jahrhunderts 
mit Kraft und Ausdauer angestrebt, und die 
ungeachtet alles Wechsels der Individuen 
und aller zeitlichen und räumlichen Be- 
ziehungen immer dieselben letzten Ziele der 
Sterblichen bleiben, zugleich wurde eine 
klarere Einsicht in die einzelnen Maximen, 
die Camoens beherrschten , gewonnen, 
und es konnte dadurch kräftiges, sitt- 
liches Wollen, dieses wichtigste Moment 
consequenter Charakterbildung , gefördert 
werden. Camoens erscheint auf Grundlage 
seiner in den Lusiaden über die Lebens- 



— 8 — 

Verhältnisse ausgesprochenen Reflexionen, 
die einzeln, für sich allein, eben so un- 
wirksam, als unbestimmt und schwankend 
bleiben, durch die Vereinigung derselben 
zu einem giltigen, dem Wirklichen ent- 
sprechenden Systeme als wahrhaft philo- 
sophischer Dichter. 



I. 

Einem Manne, wie Camoens, der seinem 

äusseren Leben nach ein Kriegsmann war, 

lag der Begriff der Ehre vor allem andern 

nahe, näher selbst als alle andern ethischen 

Begriffe von Tugend, Pflicht und Gut; er 

lebte ja unter Verhältnissen einer Zeit und 

in Kreisen einer Gesellschaft, deren Aufgabe 

es war, Ehre zu suchen, Ehre zu vertheidigen, 

Ehre zu bewahren. Ihm, dem Ritter lag es 

vor allem ob, ein Mann von Ehre zu sein 

und zubleiben. Diese Vorstellung des Mannes 

von Ehre konnte sich aus innern, weniger 

aus äusseren Gründen der Natur eines den 

1* 



— 4 — 

Werth eines Charakters anerkennenden 
Urtheils zum Ideal erhöhen und wir sehen 
Camoens unverwandten Auges diesem Ideale 
nachstreben. Wenn wir daher an ihm Be- 
harriichkeit in seinen Vorsätzen, Conse- 
quenz in seinen Handlungen und eine un- 
gewöhnliche Thatkraft bewundern müssen, 
die jeden noch so leise auftretenden Ver- 
dacht von Feigheit vollkommen vernichtete, 
wenn wir in ihm einen Mann sehen, von 
dem die Worte in ihrem wahrsten Sinne 
gelten: Ecce spectaculum Deo dignum vir 
magnus cum mala fortuna compositus, ohne 
Neid und Schadenfreude, unbescholten in 
Hinsicht auf Rechtsverletzungen und Wehe- 
thaten aller Art, so haben wir das wohl- 
getroflfene Bild eines Mannes vor uns, der 
nach Herbart's Ideenlehre ein Mann von 
Ehre genannt zu werden verdient. — Wie 
weit Ehre von Rang begrifflich und sachlich 
verschieden sei, lehrt die Wirklichkeit auf 
eine unwiderlegliche Weise durch Camoen's 
Leben. 



— 5 — 

II. 

Jene zum Ideal erhobene Vorstellung 
von Ehre aber, diese Ehrenhaftigkeit und 
Anerkennung des persönlichen Werthes von 
Seite der Umgebung, — wie schwer werden 
sie errungen ! Von welchen oft unberechen- 
baren, oft scheinbar kleinlichen Bedingungen 
hängt dies ab ! — Der Einzelne, der Lob 
zu verdienen, einen guten Namen und Ruf, 
wohl gar wahren Ruhm zu erwerben sucht, 
wird durch das beseligende Gefühl des 
Edlen, das er mit reinster Seele erfasst, 
mächtig geleitet ; er unterzieht sich Ent- 
behrungen, Beschwerden und Entsagungen, 
überzeugt, dass ein grosses Gut nur mit 
grossen Mühen sich erreichen lasse; das 
GeHngen stärkt hierbei seinen Muth, das 
Misslingen wird ihm ein Beweggrund er- 
neuerter Anstrengungen ; Furcht und Hoff- 
nung wechseln in seiner Brust. Wie wahr 
zeichnet dies Camoens mit den Worten : 

— ~ Nenhum grande bem se alcanqa 
Sem grandes oppressöes, e em ludo o feito 



— 6 — 

Segue o lemor os passos da esperanqa 

Que em suor vive sempre de seu pe^to. VIII. 66. 

Und doch wie unsicher ist der Erfolg ! Das 
Vollbringen liegt nicht in des Menschen 
Hand! Was er wollte, tritt den ihn um- 
gebenden Gesellschaftskreisen nicht sichtlich 
entgegen ; er kann verkannt, er kann ge- 
schmäht werden. Die Unsicherheit des 
menschlichen Lebensganges, des Gelingens 
edler Absichten und der Fortdauer des 
sittlichen Fortschrittes wird nur um so 
lebendiger gefühlt, je mehr den Muth eines 
Helden Gefahren umgeben, von denen der 
gewöhnliche Mensch oft keine Ahnung hat, 
Gefahren, die selbst grosser Menschen hellen 
Blick zu trüben vermögen. Gefahren, die 
allen durch das Leben gebotenen Stützen, 
worauf der Mensch zu vertrauen berechtigt 
wäre, Kraft und Festigkeit rauben. Ist es 
dann zu verwundern, wenn einer edlen 
Seele sich der Gedanke, nur Trauer habe 
Bestand, bemächtigt? 

V. 80. pezar tera firmeza, 

Mas o bem logo muda a natureza. 



— 7 — 

Ist es zu verwufidern, wenn der Mensch 
dann im Gefühle seiner Ohnmacht nach 
Rettung sucht ? Ist es zu verwundern, wenn 
Camoens diesem seinem Gefühle 1. 105 und 
106 Ausdruck verleiht ? 

Oh grandes e gravissimos perigos! 
Oh caminho de vida nunca certo! 
Que, aonde a gente p6e sua esperanc^a, 
Tenha a vida tao pouca seguranc^a! 



Onde pode acolher-se hum fraco humano, 
Onde terä segura a curla vida? 
Que näo se arme e se indigne o Geo sereno 
Contra hum bicho da terra täo pequeno? 



III. 

Doch eben diese doppelte Ueber- 
zeugung von der Unsicherheit 
des Lebensganges und von der 
No th wen digkeit der den Edlen 
allein aufrechthaltenden Fort- 
dauer des sittlichen Fortschrittes 
der Menschheit, diese beiden allge- 
meinsten und ewigen Grundlagen des gültigen 
Begriffes eines wahren Gottes, als eines 



— 8 — 

allmächtig, schützenderi und heiligen, die 
Welt allweise leitenden Wesens, bannen 
die beiden leider oft im Leben und in der 
Geschichte der Wissenschaften vortretenden 
ungültigen Begriffe des Sckicksals und Zu- 
falls durch den Gedanken einer Vorsehung : 

Occultos OS juizos de Deos säo! 
As gentes väas, que näo os entenderam, 
Chamam-lhe fado mäo, fortuna escura, 
Sendo so providencia de Deos pura. X. 38. 

Wenn nun auch die Rathschlüsse der 

Gottheit dem Menschen verhüllt bleiben, 

wenn auch der beschränkte menschliche 

Geist, was Gott sei, nfe zu fassen im 

Stande ist, 

O que he Deos, ninguem o enlende ; 

Que a tanlo o engenho humano näo se eslende X. 80. 

SO ist doch dieser Eine allmächtige Gott 

der Herr und Lenker der Welt; 

O summo deos, que por segundas 

Cousas obra no mundo, tudo manda, X. 85. 

Er ist der weise Schöpfer der Welt, ewig, 

unbeschränkt, 

Ves aqui a grande machina do mundo, 
que fabricada 



— 9 — 

Assi foi do saber alto e profundo, 

Que e sem principio e meta limitada. X. 80. 

der mit vergeltender Macht die Welt regiert 
und Strafe der Sünde folgen lässt, mag 
dieselbe von einem Einzelnen oder von 
Mehreren begangen worden sein, 

Do peccado liveram s e m p r e a pena 

Muitos ; que Deos o quiz e permillio ; u. s. w, lU. 140. 



IV. 

Bei dieser Gelegenheit sei es mir ge- 
stattet, des oft vorgebrachten, Camoens 
gemachten Vorwurfes zu erwähnen, es 
errege einen ästhetischen Anstoss die Vor- 
führung heidnischer Götter in einem 
Gedichte, in welchem die Helden die 
Glaubenssätze der christlichen Religion be- 
kennen. Statt mich in eine gründliche 
Widerlegung dieser ästhetisch nicht ge- 
rechtfertigten Einwendung hier einzulaesen, 
erinnere ich nur sCn die im X. G. 82 vor- 
kommende Aeusserung des Dichters, der 
gemäss die heidnischen Götter nur eitle 



— 10 — 

Fabeleien, durch blinden Wahn der Sterb- 
lichen hervorgerufen sind und der Poesie 
nur zur Zierde und Erhöhung des Reizes 
dienen, im besten Falle zur Fixirung unserer 
Kenntniss der Himmelsgestirne durch die 
den letzteren gegebenen Benennungen bei- 
tragen. 

Eu, Saturno e Jano, 

Jupiter, Juno fomos fabulosos 
Fingidos de mortal e cego engano. 
So para fazer versos deleitosos 
Servimos; e se mais o trato humano 
Nos pode dar, he so, que o nome nosso 
Neslas estrellas poz o engenho vosso. 



V. 

Wenn die angeführten religiösen Grund- 
gedanken einen mächtigen Einfluss üben 
mussten auf die Gestaltung jener praktischen 
Grundsätze, die Camoens als Principien des 
sittlich lobenswerthen Lebens seiner Nation 
vorführen trollte, so kann es Niemand, der 
ihn auch nur aus einem Conversations- 
lexikons- Artikel kennen gelernt hat, be- 



— 11 — 

fremden, dass das gefühlte Bedürfniss der 
Religion, die den Leidenden Trost, den 
Verirrten Zurechtweisung , dem Sünder 
Besserung und Beruhigung zu verleihen 
berufen ist, wenn das Bewusstsein: „Jeder 
Mensch bedarf höhere Hilfe", die Thatkraft 
eben dieses Mannes nicht lähmte, sondern 
vielmehr das Streben nach Vollkommenheit, 
nach idealer Grösse intensiv und extensiv 
erhöhte. Demnach verlangt er, dass der 
Mensch, der etwas Treffliches und Herrliches 
vorführen will, sich im Kampfe mit feind- 
lichen Mächten gross zeige; denn nur ein 
Leben, mit Gefahren und Verlusten ver- 
bunden , lasse die Menschen erhaben und 
berühmt werden, und dauere es auch nur 
kurz, so währe es, sobald es ehrloser Furcht 
nicht eriiegt, doch weit über die kurze 
Spanne des irdischen Daseins hinaus. 

As cousas arduas e lusirosas 

Se alcaiKjam com trabalho e fadiga. 

Faz as pessoas altas e famosas 

A vida, que se perde e que periga; 

Que, quando ao medo infame näo se rende, 

Entäo, se menos dura, mais se estende. IV. 78. 



- 12 - ' 

VI. 

Wie leicht dieses Streben nach einer 
bloss formellen Grösse zu falschem Herois- 
mus fähren , die edlen Gefühlsrichtungen 
ertödten, von dem Wege zur Tugend und 
wahren Ehrenhaftigkeit ablenken 
und die Stimme des Gewissens ersticken 
könne, wusste Camoens genau; ihn lehrte 
die Geschichte seiner und aller Zeiten die 
Unthaten der fanatischen Ehrsucht, die 
damit verbundenen Laster und die ge- 
ßihrlichen Folgen des allmäligen noth- 
wendigen Verlustes wahrer Nationallehre. 
Sein unvertilgbarer Patriotismus Hess ihn 
um so mehr über die Bedingungen und 
Ursachen wahrer Ehrenhaftigkeit selbst- 
ständig nachdenken, als er durch eine sorg- 
fältige Erziehung in der Familie mit guten 
Grundsätzen und durch den Besuch der 
Universität in Coimbra mit vorzüglichen 
Kenntnissen ausgestattet, in sich selbst die 
festen Grundlagen eines Mannes von Cha- 
rakter vorfand, In diesem seinem Charakter, 



— 13 — 

— nicht etwa blos in seinem Stande, — 
in dem vollen, kräftigen, frühzeitig ent- 
wickelten Selbstbewusstsein war daher seine 
richtige Ansicht begründet, dass die Würde, 
der individuelle Werth und die damit zu- 
sammenhängende wahre Ehre nicht in einem 
blos theoretischen Akte , dem 
Wissen, sondern in der Persönlichkeit, 
im Wollen und Handeln zu finden ist, 
in einer Willensenergie, die irgend ein sitt- 
liches Element passiv oder activ zu reahsiren 
sucht. Hiermit trennt sich Camoens offen- 
bar von der so kra tisch en Tugend und 
schliesst sich der platonischen Tugend, 
insbesondere seiner dv8ps(a an , welches 
Wort am häufigsten durch Tapferkeit, 
sachUch aber hier im Sinne Piatons am 
passendsten mit „Stärke des sittlichen 
Willens", „starker sittlicher Willen" wieder- 
gegeben wird. Nach Piaton ist unter dtvSpsia 
die harmonische Vereinigung aller besseren 
Strebungen Qines edleren Gemüthes nebst der 
ihnen eigenen Kraft, dem Schlechten zu 
widerstehen und für das erkannte Gute zu 



— 14 - 

wirken, zu verstehen. Somit ist in dieser 
Tugend das sittliche Verhältniss des •^D|i.6<: 
d. i. der männlichen und muthigen Ge- 
sinnung, welche, wenn sie keinem fremden 
Einflüsse, sondern ihrer Natur allein folgt, 
stets der Erste zu sein trachtet, und Ruhm 
und Ehre liebt, zuT sTct-^Dixta d. i. dem 
Inbegriff aller sinnlichen und sogenannten 
niederen, unverständigen und unvernünftigen 
Strebungen, die den physischen Trieben 
entstammen, und zu dem Xoy^c d. i. dem 
vernünftigen Denken zusammengefasst. *) 
— Der eigentlich persönliche Werth kann 
nur durch die vollendete Unterordnung der 
die Epithymie und den Thymos bildenden 
Strebungen unter die Vernunft errungen 
werden. 

VII. 

In echt platonischem Geiste wendet 
sich Camoens daher gegen Diejenigen, welche 
den sinnlichen Begierden , die von den 



*) All das Gesaj?te folgt aus vielen Stellen, be- 
sonders Rep. 429. 430. 409. 441. 442. 



— 15 — 

stärksten Lustgefühlen begleitet sind, eine 
Macht über sieh einräumen und zur Be- 
friedigung derselben sich unverständig hin- 
reissen lassen; dann aber insbesondere 
gegen die wahrhaft knechtende Geldgier, 
Geiz oder Habsucht (Cobi?a im engeren 
Sinne des Wortes), da alle Lüste und Be- 
gierden, diel durch physische Triebe bedingt 
sind, von Demjenigen, der über das Geld 
verfügen kann, am leichtesten sich befriedigen 
lassen und schildert mit besonderer Ent- 
rüstung die unheilvollen Folgen der Hab- 
sucht, die Freunde und Feldherrn zuweilen 
zu Verräthern gemacht, den Verstand und 
das Gewissen verblendet, spitzfindig Gesetze 
schafft, auslegt und umstösst, sich nicht 
scheut, Meineiden Thür und Thor zu öffnen, 
ReUgionsdiener zu berücken , Könige zu 
Tyrannen zu machen. 

Este (dinheiro) rende munidas fortalezas 
Faz traidores e falsos os amigös ; 
Este a mais nobres faz fazer vilezas 
E entrega os capitaes aos inimigos ; 
Este deprava äs vezes as sciencias, 
Os juizos cegando, e as consciensias. 



— 16 — 

Este interpreta mais que sublilmente 
Os textos, este faz e desfaz leis, 
Este causa os peijurios entre a gente 
E mil oezes tyrannos toma os Reis. 
At6 os que so a Deos Omnipotente 
Se dedicam, mil vezes ouvireis, 
Que corrompe este encantador e illude, 
Mas nao sem cor com tudo de virtude. 



VIII. 

Eine eben so scharfe Sprache fuhrt er 
mit tiefstem Ernste gegen das Entwürdigende 
des Ehrgeiz es und der Ruhms u cht, 
indem er das Nichtige dieses mit allen 
täuschenden Bildern von Volksgunst, Ehre 
und Macht sich vielfach beschäftigenden 
Verlangens, seine traurigen Folgen in Hin- 
sicht auf Seelenruhe und Staatswohlfahrt, 
und die doch offenbar vorhandene Ver- 
kehrtheit und Begriffsverwirrung in Bezug 
auf Kraft und Stärke hervorhebt, bis er 
endlich in einen Klageruf über das unge- 
messene Drängen des menschlichen Strebens 
ausbricht. 



— 17 — 

IV. 95 . Oh gloria de mandar ! Oh väa cobic^a 

Desta vaidade, a quem chamamos fama! 
Oh fraudalento gosto, que se ati^a 
C'huma aura populär, que honra se chama! 
Que castigo tamanho e que juslic^a 
Fäzes no peito vao, que muito te ama! 
Que mortes, que perigos, que tDrmenta?, 
Que ciTieldades nelles exprimentas ! 

96. Dura inquietaqäo d'alma e da vida, 
Fönte de desamparos e adulterios, 
Sagaz consumidora conhecida 

De fazendas, de reinos e de imperios: 
Ghamam-te illustre, chamam-te subida, 
Sendo digno de infames vituperios: 
Ghamam-te fama e gloria soberana, 
Nomes, com quem se o povo nescio engana! 

97. A que novos desastres determinas 
De levar estes reinos e esta gente? 
Que perigos, que mortes Ihe destinas 
Debaixo d'algum nome preeminente? 
Que promessas de reinos e de minas 
D'ouro, que Ihe faräs täo facilmente. 

Que famas Ihe prometteräs, que historias? 
Que triumphos? Que palmas? Que victorias? 

98. tu geraQäo 

99. Nesta gostosa vaidade 

Tanto enlevas a leve phantasia, 

ä bruta crueza e feridade 

Puzeste nome esforcjo e valentia, 

2 



— 18 — 

Prezas em tanta quantidade 

desprezo da vida, que devia 

De ser sempre estimada, pois que ja 

Temeo tanto perde-la, quem a da. — 

103. Nenhum commettimento alto e nefando 
Por fogo, ferro, agua. calma e frio 
Deixa intentado a humana gera(joo. 
Misera sorle! Estranha condicjao! 



IX. 

Hat der Dichter auf diese Art den 
Fragepunkt von der negativen Seite 
gefasst, indem er die sittlichen Nachtheile 
der Herrschaft der Epithymie und des 
Thymos und die sich daran schliessende 
vollkommene Verkennung aller natürlichen 
Anschauungen des Lebens beleuchtet, so 
gibt er auch eine entschiedene Antwort auf 
die Fragen: 1. Was fordert wahre, 
dauernde Mannesehre ? 2. Wie gelangt 
man zur historischen Unsterblichkeit ? 

1. Wer nach Anerkennung seines per- 
sönlichen Werthes, nach wahrer Ehre strebt, 
wer seinen Namen gefeiert wissen, wer in 



- 19 — 

der Welt gross werden will, der entraflfe 
sich a) schlaffer Trägheit, die den freien 
Geist zum Sklaven macht, b) zähme Hab- 
sucht, Ehrgeiz und Herrschsucht, diese drei 
wildesten Leidenschaften, da ja Geld, eitle 
Ehre und blosse Macht nie wahren Werth 
den Menschen verleihen ; besser ist's, das 
Verdiente nicht zu besitzen, als etwas zu 
besitzen, ohne es zu verdienen, c) Durch 
Bemühungen um Recht und Gesetz, Fürst 
und Vaterland, um Billigkeit und Religion 
gross geworden, werden die Menschen den 
Reichen, denen sie angehören, allein Grösse 
und Macht verschaffen ; durch sorgfaltige, 
energische, einsichtsvolle Wahrung 
des Rechtes, der Billigkeit und Religion 
wird aber auch Verschönerung des Lebens 
durch wohlverdiente Reichthümer und Ehren 
zu Stande gebracht. Wer auf diese Art 
seine beste Einsicht walten und 
mit aller Thatkraft das einge- 
sehene Rechte und Gute zu 
schützen, zu festigen, zu fördern 
weiss, — nur dieser ist des Kranzes der 

2» 



— 20 — 

Unsterblichen werth, nur dieser wird den 
Heroen der Menschheit beigezählt werden. 
Damit wird nichts Unmögliches verlangt; 
wer da will, kann immer ! 

IX. 92. vos, que as famas estimais, 

Se quizerdes no mundo ser tamanhos, 
Desperlai ja do somno do ocio ignavo, 
Que o animo de livre faz escravo. 

93. E ponde na cobi<ja hum freio duro, 

E na ambi<;;äo lambem, que indignamente 
Tomais mil vezes, e no torpe e escuro 
Vicio da tyrannia infame e urgente; 
Porque essas honras väas, esse ouro puro 
Verdadeiro valor nao däo a gente; 
Melhor he merece-los, sem os ter, 
Que possui-los, sem os merecer. 

94. Oa dai na paz as leis iguaes, constanles, 
Que aos grandes näo dem o dos pequenos, 
Ou vos vesti nas armas rutilantes 

Contra a lei dos imigos Sarracenos: 

Fareis os reinos grandes e possantes, 

E todos tereis mais, e nenhum menos, 

Possuireis riquezas merecidas, 

Com as honras, que illustram tanto as vidas: 

95. E fareis claro o Rei, que tanto amais, 
Agora CO 'os conselhos bem cuidados, 
Agora CO 'as espadas, que immortais 
Vos faräo, como os vossos ja passados: 



— 21 — 

Impossibilidades nao fa<2ais, 
Que, quem quiz, sempre pode; e nu- 

merados 
Sereis entre os Heroes esclarecidos. 



2. Was hier Camoens in einigen Punkten 
blos kurz angedeutet, wird VI. 95, 96, 97, 
98, 99 ausführlicher besprochen, indem hier 
Ringen mit Gefahren , nicht etwa blos 
Stammbäume, üppige Schmausereien, reich 
wechselnde Vergnügen oder unersättliches 
Haschen und Jagen nach Genüssen, nein 
— kühnes, kräftiges Ringen nach Anerken- 
nung des persönlichen Werthes, Wachsam- 
keit, Beständigkeit, Ausdauer, Besonnenheit 
und Geistesgegenwart vermag einen ehren- 
vollen Rang im Reiche der Geister, vermag 
historische Unsterblichkeit zu erringen. 

VI. 05. Por meio destes horridos perigos, 
Destes trabalhos graves e temores 
AlcanQam os, que säo de fama amigos,, 
As honras Immortaes e graos maiores: 
Näo encostados sempre nos antigos 



— 22 — 

Troncos, nobres de seus anlecessores, 
Näo nes leitos dourados enlre os finos 
Animaes de Moscovia zebellinos. 

9(). Näo CO 'os manjares novos e exquisitos, 
Nao CO 'os passeios molles e ociosos, 
Näo CO 'os varios deleites e infinilos, 
Que effeminam os peilos generosos, 
Näo CO 'os nunca vencidos appetitos, 
Que a fortuna tem sempre täo mimosos, 
Que näo soffre a nenhum, que o passo müde 
Para alguma obra heroica de virtude; 

97. Mas com buscar co 'o seu forqoso braqo 
As honras, que eile chame proprias suas, 
Vigiando, e vestindo o forjado a^o 
Soffrendo tempestades e ondas cruas, 
Vencendo os torpes frios no regaqo 

Do Sul e regioes de abrigo nuas, 
Engolindo o coriupto mantimento, 
Temperado c' hum arduo soffrimento; 

98. E com for(2ar o roslo, que se entia, 
A parecer seguro, ledo, inleiro 
Para o pelouro ardente, que assovia 

E leva a perna ou brago ao companheiro. 
Desla arte o peito hum callo honroso cria, 
Despiezador das honras e dinheiro, 
Das hom'as e dinheiro, que a Ventura 
Forjou, e näo virlude justa e dura. 



— 23 — 

99. Desta arte se esclarece o entendimento, 
Que experiencias fazem repousado, 
E fica vendo, como de alto assenlo, 
O baixo Irato humano embaraqado; 
Este, onde tiver forqsL o regimento 
Direito e näo de aflfeitos occupado, 
Subirä (como deve) a illustre mando 
Contra vöntade sua e näo rogando. 

Darum unterlasse Niemand die sorg- 
fältigste Pflege aller der ihm gewordenen 
Anlagen zu wahrhaft grossen, edlen Thaten ; 
nur so wird er nie seinen Werth, nie seine 
Geltung verlieren. 

Porem näo deixe em fim de ter disposto 
Ninguem a grandes obras sempre o peito; 
Que por esta ou por outra qualquer via 
Näo perdera seu pre(jo e sua valia. V. 100. 

Damit aber der Geist diese Disposition 
oder, wenn man lieber will, diesen durch 
sorgfältige Bildung allmälig gewonnenen 
Trieb zu grossen, würdigen Thaten kräftige, 
hat das Vaterland ganz besonders den 
Genius zu begünstigen ; denn Lust und Liebe, 
froher Stolz sind Bedingungen der freudigen 



- 24 - 

Uebernahnie von Anstrengungen und Mühen 
bei jeglicher Arbeit, — „Fittige zu grossen 
Thaten". 

favor, com que niais se accende engenho — X. 145. 

Hum ledo orgulho e geral gosto, 

Que OS animos levanta de contino, 

A ter para trabalhos ledo o rosto. X. 146. 

Wer erkennt nicht in der Art der Be- 
antwortung der beiden Fragen eine um- 
sichtige, genauere, dem Inhalte der Begriffe 
angemessene Verbindung der hierher ge- 
hörenden, zur Lösung des Problemes noth- 
wendigen Gedanken, das charakteristische 
Merkmal der Geistesthätigkeit eines Philo- 
sophen? Wie einleuchtend werden hier aus 
einem für das Leben höchst wichtigen Falle 
die Mängel der verschiedenen, von der Ge- 
schichte der Philosophie verzeichneten und 
aller künftigen Versuche , die praktische 
Philosophie in Form einer blossen Tugend- 
lehre, oder einer selbstständigen Pflichten- 
lehre oder als Güterlehre zu behandeln, 
ihre Unzulänglichkeit, irgend eine ethische 



— 25 — 

Frage gründlich zu beantworten, ihre Ein- 
seitigkeit und methodische Verkehrtheit dar- 
gethan! — 

XL 

Wahrer Menschenwerth und die damit 
verbundene Achtung, Ehre oder wie man 
die ferneren Formen der Erscheinung der 
letzteren fernerhin nennen mag, wird nicht 
erreicht durch blosse Negation, Mas- 
sig un g oder H a 1 1 u n g ; die echte dvSpeCa 
Zügelt nicht allein sämmtliche sinnliche 
Lüste und Begierden, sondern sie meidet 
auch, so sehr sie die Idee der Grösse, oder 
besser gesagt, der Vollkommenheit durch 
eine constante und consequente Willens- 
energie zu realisiren sucht, auf das sorg- 
faltigste das Aufbrausen wilder Leiden- 
schaft und das unüberlegte , ungestüme 
Drängen und Jagen nach Thaten überhaupt 
als Thaten (aventures) ; bei Camoens 
ist die Ehrenhaftigkeit eines 
Mannes, die avSpsta, eine positive 
sittliche Grösse; sie vollzieht mit 



— 26 •-— 

Kraft und Beständigkeit in verständiger 
Weise die Gebote der praktischen Einsicht, 
der ethischen Ideen, mit andern Worten, 
des XoYoc, der Vernunft, des Gewissens. 
Wenn ungewöhnlicher Reichthum psy- 
chologischer Kenntnisse, genaue Fassung 
des WoUens in seinem wesentHchen Unter- 
schiede vom blossen Begehren, deutliches 
Verständniss der Beziehungen der einzelnen 
Seelenzustände zu einander, allseitige Be- 
rücksichtigung der Natur des mit theo- 
retischen Untersuchungen vielfach ver- 
zweigten vorliegenden Problemes den philo- 
sophischen Dichter der Lusiaden auf das 
vortheilhafteste auszeichnen : so scheint mir 
Gamoens doch noch eine höhere Bedeutung 
als Philosoph dadurch gewonnen zu haben, 
dass er den Inhalt dieser positiven sitt- 
lichen Grösse , die ethischen Ideen zu 
cxponiren sucht — ein Vorgang, der 
in der Geschichte der Philosophie wohl als 
ein sehr merkwürdiges Beginnen nicht genug 
betont werden kann. Diese Exposition wird 
auf dem Wege antithetischer Behandlung 



— 27 — 

des Gegenstandes versucht. Zuvörderst sind 
die Angesehenen, die sogenannten 
Grossen der Erde nicht auch' dann die 
wahrhaft Grossen, wenn sie des Wohlwollens 
gegen ihre Mitmenschen entbehren, nicht 
für das öffentliche Wohl sorgen, vom Eigen- 
nutz allein geleitet. Recht und Billigkeit mit 
Füssen treten und dabei unschuldig er- 
scheinen wollen, wenn sie Würden, Aemter, 
Rang, Reichthum allein lieben, mit Unwahr- 
heit, Heuchelei, Schmeichelei selbst dem 
Fürsten begegnen, das Vertrauen, das un- 
entbehrliche Band der menschlichen Ge- 
sellschaft, immer mehr lockern. Keiner von 
diesen liebt, was er soll; ihnen möge 
in nicht zu langer Zeit die verdiente gerechte 
Züchtigung werden ! 

IX. 27. E ve do mundo todo os priiicipais, 

Que nenhum no bem publico imagina. 

Ve nelles, que näo teni amor a mais 

Que a si somente, e a quem Philaucia ensina. 

Ve, que esses, que frequentam os reais 

Paqos, por verdadeira e säa doulrina 

Vendem adula(^äo, que mal consente 

Mondar se o novo trigo florecenle. 



1 



— 28 — 

IX. 28. V^ que aquelles, que devem a pobreza 
Amor divino e ao povo charidade, 
Amam somente mandos e riqueza 
Simulando justiqa e integridade, 
Da fea tyrannia e de aspereza 
Fazem direito e vaa severidade: 
Leis em favor do Rei se eslabelecen, 
As em favor do povo so perccem. 

IX. 29. V6 em fim, que ninguem ama o que deve, 
Senäo o que somente mal deseja; 
Näo quer, que tanto tempo se releve 
castigo, que duro e justo seja. 

XII. 

Solche Männer, welche ihr Privat- 
interesse dem öffentlichen Wohle und dem 
ihres Königs vorziehen, feindlich gesinnt 
dem göttlichen und menschlichen Gesetze, 
eben so wie jene, welche mit leidenschaft- 
lichem Ehrgeize nach Aemtern ringen, blos 
um ohne Zwang ihren Lastern fröhnen zu 
können, oder die wetterwendisch wechseln- 
den Strömungen der Volksgunst zu Gesetzen 
ihrer Handlungen erheben, oder jene, die 
charakterlos das ernste, feierliche Gewand 
eines zum Wohle des Volkes eingesetzten 



~ 29 — 

Standes zur Beraubung und Beeinträchtigung 
der Gesellschaft benutzen, oder jene, die 
nur nach einer Seite hin billig und recht 
finden, was sie nach der andern als billig 
und recht läugnen, oder die i h r e geringe 
Klugheit meisterhaft darauf ver- 
wenden, mit räuberischer und karger Hand 
den Preis fremder Arbeit herabzudrücken, 
verdienten nicht geehrt, nie mit Ruhm ge- 
krönt zu werden. 

VII. 84. Nem creais, Nimphas, näo, que fama desse 
A quem ao bem commum e du seu Rei 
Antepuzer seu proprio Interesse, 
Tmigo da divina e humana lei; 
Nenhum ambicioso, que quizesse 
Subir a grandes cargos, cantarei, 
So por poder com torpes exercicios 
Usar mais largamente de seus vicios. 

85. Nenhum, que use de seu poder bastante 
Para servir a seu desejo feio, 

E que, por comprazer ao vulgo errante, 
Se muda em mais figuras que Proteio, 
Nem, Gamenas, tambem cuideis, que cante 
Quem com babito honeslo e grave veio, 
Por contentar ao Rei no officio novo, 
A despir e roubar o pobre povo. 

86. Nem quem acha, que he justo e que he direito 
Guardar-se a lei do Rei severamente, 



— 30 — 

E nao acha, que he justo e bom respeito. 
Que se pague o suor da servil gente, 
Nem quem senipre com pouco experto peito 
Razoes apprende e cuida, que he ppudente 
Por taixar com mäo rapace e escassa 
Os trabalhos alheios, que näo passa. 

Sie handeln alle gegen die Gebote der 
Vernunft, welche den Inhalt des ehren- 
werthen Handelns angibt. Dass dieser Inhalt 
des Sittlichen nicht in einem einzigen Satze, 
nicht in einem Moralprincipe ausgesprochen 
werden könne, musste Camoens vollkommen 
überzeugt gewesen sein; sonst hätte er 
diese Art der Exposition gewiss nicht vor- 
genommen, die aber eben so sehr von dem 
lebhaftesten und richtigsten, Camoens be- 
herrschenden Gefühle der Nähe jener 
Musterbilder ethischer Verhältnisse, welche 
allem Handeln einen unumstösslichen un- 
bedingten Werth geben, ein Zeugniss gibt, 
als sie andererseits unwiderleglich nach- 
weist, dass das wahrste Gefühl, der feinste, 
sittliche Takt, reine Erkenntniss wenn auch 
unterstützen , so doch nicht vollkommen 
ersetzen kann, und dass ästhetische Unter- 



^ 31 — 

sucliungen eine eigene methodische Be- 
arbeitung der Begriffe fordern, welche mit 
sehr grossen, bisher nur von Herbart auf 
dem Gebiete der praktischen Philosophie 
überwundenen Schwierigkeiten verbunden 
ist. Dass aber Camoens von dem lebendigsten 
Gefühle der sittlichen Ideen geleitet, diese 
Exposition vornahm, wenn es ihm auch 
nicht gegönnt war, die vollständige Reihe 
der ethischen Ideen als der mustergültigen 
Begriffe der einfachen ästhetischen Willens- 
verhältnisse nachzuweisen, — wer könnte 
dies in Abrede stellen, wenn er bedenkt, dass 
der Dichter Jedem , ohne Rücksicht auf 
Geburt, Stand, Ansehen, Anerkennung des 
Werthes, Ehre, Ruhm verweigert, wenn 
er der Vernunft zuwiderhandelt, 
welche in der Gesellschaft, sei 
sie klein oder gross, Staat oder Kirche, 
durch ein geordnetes System 
von Institutionen sowohl dem Rechte 
und der Billigkeit, als dem Wohlwollen und 
wahrer Cultur und echter charaktervoller 
idealer Beseelung zu entsprechen gebietet? 



— 32 ~ 

XIII. 

Männer, die dem Menseh- 
heitsideale gar nicht nachstreben, das- 
selbe ignoriren oder einem und dem 
andern Musterbilde Hohn sprechen, 
können den Dichter, der mit seinen 
gottbegeisterten Gesängen das Andenken 
an die Grossthaten im Reiche des Guten, 
Wahren und Schönen für alle Zeiten würdig 
zu erhalten vermag, nicht e n t h u s i a s- 
m i r e n ! sie sind des Gesanges nicht 
werth, während der Sänger denverdienten 
Ruhm Jener, die für Gott und König sich 
muthig Gefahren aussetzen, ja ihr Leben 
opfern, bis auf die späteste Nachwelt ver- 
breitet. 

VII. oft» Aquelles sös direi, que avenluraram 

Por seu Deos, por seu Rei a amada vida, 
Onde, perdendo-a, em fama a dilataram 
Täo bem de suas obras merecida. 

Und wie süss und wirksam ist die 
gerechte, ehrenvolle, ruhmreiche Anerken- 
nung unserer Thaten, die uns im Liede ent- 



— 83 — 

gegentönt ! Der Edle arbeitet den gefeierten 
Vorbildern der Menschheit nach , strebt 
ihnen gleich zu werden oder muthet sich 
sogar zu, dieselben in einer oder der 
anderen Beziehung zu übertreffen ! Der 
edle Wetteifer, auf sittlichem Gebiete der 
Erste zu sein, hat in den meisten Fällen 
erhabene Thaten zu Stande gebracht, die 
in immer weiteren Kreisen Anerkennung 
fanden, und allmälig die Ehre der Nation, 
der der Ruhmgekrönte angehört, zu be- 
gründen vermochten. 

Quao doce he o louvor e a justa gloria 
Dos proprios feitos, quando säo soados! 
Qual quer nobre trabalha, que em memoria 
VenQa ou ignale os grandes ja passados; 
As invejas da illustre e alheia historia 
Fazem mil vezes feitos sublimados: 
Quem valerosas obras exercita, 
Louvor alheio muito o esperta e incita. V. 92. 

XIV. 

Der König selbst, — und hiermit ver- 
nehmen wir die sich an das Frühere 

naturgemäss anschliessenden allgemeinsten 

3 



— 34 — 

Maximen der Staatskunst des Dichters — 
ist desshalb , als erhabener Repräsentant 
der Nation, bei dem mächtigen Einflüsse, 
den er auf das Volk ausübt, 

Hum fraco Rei faz fraca a forte gente. III. 138. 

zuvörderst berufen, durch Willenskraft, Be- 
sonnenheit und Weisheit sich auszuzeichnen, 
und hiedurch sich einerseits zu sittlicher 
Grösse zu erheben, andererseits die zur 
Wahrung des Rechtes und der übrigen 
Menschheitsinteressen verwendete Macht des 
von ihm geleiteten tapferen Volkes ruhm- 
lichst zu vermehren, und hiermit der Nation 
eine weltgebietende Stellung zu verschaflfen 
und zu sichern. 

Fazei, Senhor, que nunca os admirados 

Alemäes, Gallos, Italos e Inglezes 

Possam dizer, que säo para mandados 

Mais, que para mandar, os Portuguezes. X. 153. 

Ein Monarch, der sich dieses Lebens- 
ziel gesetzt, bedarf zur Durchfuhrung seiner 
besten Absichten für Gerechtigkeit und 
allgemeine Wohlfahrt eines nach allen 



— 35 — 

Seiten wirksamen, allen Bedurfhissen der 
Staatsangehörigen Rechnung tragenden, 
wohlorganisirten Regierungssystems. Er 
vermag nicht Alles allein; die Krone be- 
darf gewissenhafter, rechtschaffener 
Rät he, redlicher treuer Freunde! 

XV. 

Der Monarch steht auf so erhabener 
Stufe, dass er von entfernten Angelegenheiten 
in den meisten Fällen nur eine genauere 
Kenntniss erhalten kann, wenn sie ihm ein 
treu rathender Freund verschafft. Doch 
würde man irre gehen, wenn man meinen 
wollte, Camoens habe Gewissenhaftigkeit 
und Treue als die einzigen unentbehrlichen 
Eigenschaften der Räthe der Krone ange- 
sehen wissen wollen; er fügt ausdrücklich 
hinzu, dass ein guter Mensch, wie gerecht 
und sittlich, unbescholten er auch sei, sich 
gewöhnlich in den Geschäften der Welt 
nur wenig zurecht findet, da ja zu solchen 
Angelegenheiten ein ruhiger, nur Gott er- 
gebener Sinn übel zu stimmen pflegt, abge- 



— 36 — 

sehen davon, dass Redlichheit, die in armer 
Kleidung oft bezaubernd wirkt, bei ge- 
änderter Tracht sich zuweilen in EHirsucht 
verwandelt. 

Oh quanto deve o Rei, que bem governa, 
De olhar, que os conselheiros ou privados 
De consciencia e de virtude interna 
E de sincero amor sejam dotados! 
Porque como esl6 posto na supema 
Cadeira, pode mal dos apartados 
Negocios ler noticia mais inteira, 
Do que Ihe der a lingua conselheira. 

Nem tarn pouco direi, que tome tanio 

Em grosso a consciencia limpa e certa, 

Que se enleve n' hum pobre e humilde manto 

Onde ambiqäo a caso ande encoberta; 

E quando hum bom em luda he justo e santo, 

Em negocios do mundo pouco acerta; 

Que mal com elles poderä ter conta 

A quiela innocencia, em so Deos pronta. VIII. 54, 55. 

Die Räthe der Krone sollen zugleich 
welterfahrene Männer sein, die lange 
Monde, lange Jahre sahen; — 

Os mais exprimentados levantai-os, 

Se com a experiencia lern bondade, 

Para vosso conselho; pois que sabem 

como, o quando e onde as cousäs cabem. X. 149. 



— 37 — 

das Wissen des Erfahrenen ist im Leben 

besonders wirksam. 

Tomai conselhos so d' exprimentados, 
Que viram largos annos largos mezes; 
Que, postoque em scientes muito cabe, 
Mais em particular o experto sabe. X. 152. 

So wie bei Camoens in Uebereinstim- 
mung mit Plato die Tugend, die avSpsb, 
mehr oder weniger als ein Werk der Er- 
ziehmig, der Sitten und der gesammten 
Kunst wird, da der individuelle Werth der 
Person nicht in dem blossen Wissen ruht, 
so tritt auch hier, entsprechend der zu 
Grunde liegenden AuflFassung des Verhält- 
nisses der Theorie zur Praxis, die Schul- 
gelehrsamkeit, die Theorie für sich allein, 
die blosse Doctrin, hinter die Erfahrung 
zurück. — Insbesondere ist dies der Fall 
mit der Kriegskunst, die sich ihrer wesent- 
lich praktischen Bestimmung gemäss nicht 
vollkommen aneignen lässt durch 
blosse Phantasiegebilde , durch Träumen, 
Grübeln, Gemeinbilder oder blosses Lernen, 
sondern nur durch Sehen, Ueben und 
Kämpfen. 



De PhoriQiäo, philosopho elegante, 
Vereis como Annibal escarnecia, 
Quando das artes bellicas diante 
Delle com larga voz iratava e lia. 
A disciplina mUitar prestante 
Näo se apprende, Senhor, na phaniasia, 
Sonhando, imaginando, ou estudando, 
Senäo vendo, iratando-e pelejando. X. 153. 



XVI. 

Doch liegt hierin durchaus nicht die 
Behauptung, dass zur Kriegskunst, zur 
Militärdisciplin und zur Beföhigung für 
hochwichtige militärische Posten blosse 
Praxis, blosse Erfahrung genüge ; ein Feld- 
herr, ein Krieger, der Helden nachahmen, 
ihnen gleichen will, muss vielmehr regsamen 
Geistes im Gedankenflug die gesammte 
Lage erfassen, die Gefahren vorhersehen 
und zu vermeiden wissen, mit militärischem 
Geist und in feiner , verständiger 
Weise des Feindes Plan durchkreuzen und 
auf Alles gefasst sein. 

Tal ha de ser, quem quer co* o dorn de Marie 
Imitar os illustres e iguala-los, 



{ 
Voar CO' o pensamento a toda parte 
Adivinhar perigos e evita-los; 
Com militar engenho e subtil arte 
Entender os imigos e engano-los, 
Crer tudo em fim; que nunca louvarei 
O capitao, que diga: Näo cuidei. VIII. 89. 

Und wie mannigfache Kenntnisse, wie 
vielseitige Studien sind dem Krieger nach 
der eben erwähnten Andeutung unentbehr- 
lich ! Ja Camoens wendet sich in bitterem 
Unmuth gegen seine nächste Umgebung, die 
in dieser Beziehung Wissen und Kunst nicht 
zu schätzen wusste, indem er behauptet, 
es habe bei Römern, Griechen oder bei 
andern Völkern nie Krieger erster Grösse 
oder mindestens von Bedeutung ohne Kunst 
und Wissen gegeben, 

Em fim näo houve forte capitao 

Que näo fosse tambem douto e sciente 

Da Lacia, Grega ou barbara nagao. 

und darum an Themistokles, Scipio, Cäsar, 
Alexander erinnert, schliesslich aber den 
vollkommen gerechtfertigten allgemein rich- 
tenden Satz ausspricht: _ 
Quem näo sabe a arte, näo na estima. V. 97. 



40 



XVII. 

Zumeist warnt er die Könige und Alle, 
die mit königlicher Machtvollkommenheit 
ausgestattet sind, vor Willkür und Miss- 
brauch der ihnen gewordenen Macht. Ins- 
besondere halte der Fürst, der Feldherr 
und der siegende Krieger fest an der 
Maxime: Wer mit der ihm zutheil- 
gewordenen Macht ohne Grund, 
aus niedriger Absicht Unrecht 
thut, siegt nicht; denn wahrhaft 
sie^gen heisst nacktes, strenges 
Recht üben. 

Quem faz injuria vil e sem raQäo 
Com forqas e poder, em que esta posto, 
Nao vence; que a victoria verdadeira 
He saber ter justi^a nua e inteira. X. 58. 

Könige, bei deren willkürlichen Ent- 
scheidungen Gerechtigkeit und Wahrheit 
schweigen müssen, lassen erhabene Geister 
in dunkler Niedrigkeit schmählich dahin- 
siechen; auf armen Lagern sterben Die- 
jenigen, die dem Fürsten und Gesetze zum 
Bollwerke dienten. 



— 41 — 

Veremos altos peitos 

A baixo estado vir, humilde c escuro, 

Morrer nos hospitaes, em pobres leitos 

Os, que ao Rei c a lei servem de muro! 

Isto, fazem os Reis, cuja vontade 

Manda mais que a justiqa e que a verdade. X. 23. 

Missbrauch der Macht ist aber auch 
vorhanden, wenn Fürsten von schmeicheln- 
dem äusseren Schein bestochen, gleissneri- 
schen Worten und falschen Vorspiegelungen 
den Preis, der nur der wackern That ge- 
bührt, verleihen ; solche Fürsten werden 
habsüchtigen Schmeichlern selbst zur Beute 
und verfallen dem richtenden Urtheile der 
Geschichte. 

Isto fazem os Reis, quando embebidos 

N' huma apparencia branda, que os contenta, 

Däo os premios, de Aiace merecidos, 

'A lingua väa de Ulysses fraudulenta. 

Mas vingo-me; que os bens mal reparlidos 

Por quem so doces sombras apresenta, 

Se näo OS däo a sabios cavalleiros 

Däo -OS logo a avarentos lisongeiro^. 

Mas tu, de quem ficou tao mal pagado 
Hum tal vassallo, o Rei, so nisto inico, 
Se näo es para dar-lhe honroso estado, 
He eile para dar-te hum reino rico, 



- 42 — 

Em quanto for o mundo rodeado 

Dos Apollineos raios, eu ie fico, 

Que eile seje entre a gente illustre e claro 

E tu nisto culpado por avaro. 



XVIII. 

Alle Einzelnen zerstreut vorkommenden 
Mahnungen an die Regenten culminiren 
aber in dem von Camoens dem König zu- 
gerufenen Princip, er solle vor aller Welt 
Herr nur ausgezeichneter Vasallen 
zu sein trachten, — X. 146. 

_ Vos, Rei, que por divino 

Conselho estais no regio solido posto, 
Olhai que sois (e vede as outras gentes) 
Senhor so de vassallos excellentes! 

die ihren Lebensberuf darin erkennen, allen 
Gefahren ihr Leben preiszugeben, 

Olhai, que ledos vao por varias vias, 

Quaes rompentes leoes e bravos touros, 

Dando os corpos a fomes e vigias, 

A ferro, a fogo, a settas, a pelouros, 

A quentes regioes, a piagas, frias, 

A golpes de Idolatras e de Mouros, 

A perigos incognitos do mundo, 

A naufragioS) a peixes, ao profundo. X. 147. 



— 43 — 

stets bereit, in Allem ohne Widerrede zu 
dienen, und wenn es noch so viel Ueber- 
windung kostete, 

Por vös servir a tudo apparelhados, 
De vös täo longe sempre obedientes 
A quaesquer vossos asperos mandados, 
Sem dar resposta, promptos e contentes, 
So com saber que säo de vös olbados; 
Demonios infemaes, negros e ardentes 
Commeiteräo comvosco, e nao duvido, 
Que vencedor vos fagam, nao vencido. X. 148. 

sobald es gilt, sein Reich zu schirmen und 
zu mehren und das Reich Gottes auf Erden 
auszubreiten. 

Os Cavalleiros tende em muito estima; 

Pois com seu sangue intrepido e fervente 

Esten dem nao somente a Lei de cima, 

Mas Inda vosso imperio preeminente ; 

Pois aquelles, que e täo remoto clima 

Vos vao servir com passo diligente, 

Dous jnimigos vencem, buns os vivos, 

E, o que he mais, os trabalhos excessivos. X. 151. 

Diese Ritterschaft, die gewaltige Feinde 
und furchtbare Gefahren zu bestehen hat, 
ist a) besonders zu achten und mit Ehren 
auszustatten ; b ) insbesondere wünscht 



— 44 - 

Camoens die treflflichen Vasallen durch Er- 
leichterung bezüghch einiger strenger Ge- 
setze, so wie durch huldvolle königliche 
Gnaden beglückt und begünstigt zu sehen. 

Favorecei-os logo e alegrai-os 

Com a presenqa e leda humanidade, 

De rigorosas leis desalivai-os, 

Que assi se abre o caminho ä sanctidade. 

Camoens war hier sichtlich geleitet 
von dem Gefühle eines grossen Unterschiedes 
in dem Werthe der Gütervertheilung nach 
den Ideen der Vollkommenheit und des 
Wohlwollens ; Cultur und Gemeinwohl 
werden bei dieser oder jener Festsetzung 
der Verhältnisse der mehr und weniger 
Berechtigten mehr oder weniger gefördert. 
Ist doch der Werth des Rechtes schon 
nach der Rechtsidee mehr oder weniger 
schwankend, sobald es mehr oder weniger 
die Gesinnung des Streites hemmt! 

XIX. 

Wenn nun die Lusiaden nach ihrem 
Inhalte und ihrer Bestimmung vorzugsweise 



— 45 — 

ethische und politische Ueberlegungen be- 
züglich des Ritterstandes enthalten, so ist 
doch bei der allgemeinen Erörterung der 
durch das praktische Bedürfniss aufge- 
worfenen Frage nach den Kriterien wahrer 
Ehrenhaftigkeit und des damit verbundenen 
pflichtmässigen Lebens nicht zu erwarten 
gewesen , dass alle anderen Stände in 
ethischer oder politischer Beziehung unbe- 
rücksichtigt bleiben dürften. Camoens, der 
an passenden Stellen der Geistlichkeit er- 
wähnt, erkennt die hohe Bedeutung des 
geistUchen Standes für die menschliche 
Gesellschaft und fordert daher, dass die 
Religionsdiener allem Ehrgeiz^ und der Hab- 
sucht entsagen, für das weltliche Regiment 
beten, durch Unterricht, Busse, Fasten die 
Sünder bessern ; der wahre Priester trachtet 
nicht nach eitlem Ruhme, nicht nach Geld. 

Tenham Religiosos exercicios 

De rogarem por vosso regimento, 

Com jejuns, disciplina pelos vicios 

Gommuns toda ambigao teräo por vento: 

Que o boiti religioso verdadeiro 

Gloria väa näo pretende, nem dinheiro. X. 150. 



— 46 - 

Und endlich finden wir einen hoch- 
wichtigen Gedanken, bedeutungsvoll für 
alle wahfe Staatskunst, in den Worten aus- 
gedrückt : 

Todos favorecei em seus officios, 
Segundo lern das vidas o talentos! 

XX. 

Allen soll die pflichtmässige Erfüllung 
des nach ihrem Talente gewählten Berufes 
durch den Schutz der obersten Staatsge- 
walt ermöglicht werden ! Eine weitreichende 
politische Norm, in ihrer Allgemeinheit ge- 
fasst , nach ihren nothwendigen Conse- 
quenzen gedeutet! — Hiermit wird nicht 
blos etwa Rücksicht auf alle industrielle 
und künstlerische Thätigkeit, auf merkan- 
tilische oder militärische Bestrebungen ge- 
fordert; alles vorhandene Gute 
soll erkannt und geschützt 
werden! Welche Schwierigkeiten hat die 
Regierung schon hierbei zu bekämpfen, 
wenn ihr nicht ein allgemein verbreitetes 
Wohlwollen als Nationalgesinnung hilft ! 



— 47 — 

Und wenn sie alle nützlichen und würdigen 
Bestrebungen fördert, wie wird sie den nur 
zu leicht und leider gewöhnlich vorkom- 
menden nachtheiligen Folgen der Eifersucht, 
dem frivolen Streben^ nach nichtigem Glanz, 
einem demoralisirenden Luxus vorbeugen? 
Ausbreitung der Einsichten, ein Ineinander- 
greifen der Künste und Wissenschaften, 
Sprachkenntniss, Bildung, Erziehung werden 
desshalb Gegenstand gerechter Fürsorge 
eines politischen Organismus sein müssen; 
ganz besonders aber wird in dieser Be- 
ziehung alle politische Sorgfalt dahin ge- 
richtet sein müssen, echtes National- 
gefühl zu wecken, zu erhalten. 
Dann wird Niemand sagen können, „ein 
Volk sei zum Herrschen untauglich, ihm ge- 
gezieme, einem andern zu gehorchen**. Wie 
dies zu firreichen , wurde von Camoens 
zwar nicht ausdrücklich gesagt ; ich glaube 
jedoch den verbindenden Gedanken zwischen 
den Zeilen gefunden zu haben. — 

Soll die Staatskunst diesen grossen 
Schatz heben und bewahren, so muss 



— 48 — 

echtes Selbstgefühl Gemein- 
goist desVolkes geworden sein! 
Hierzu soll jeder nach Kräften beitragen, 
ohne servile Unterschätzung, aber auch ohne 
hochmüthig anmassende Ueberschätzung des 
gesellschaftlichen Einflusses , den 
er durch seine Thätigkeit gewonnen, zu- 
gleich den persönlichen Werth des Einzelnen 
willig anerkennend. — Und dieses echte 
Selbstgefühl hat in Gamoens feste Wurzel 
gefasst. Er kennt einerseits den weiten Ab- 
stand zwischen seiner Person und des 
Königs Majestät, er begreift seine niedrige 
Stellung, in der er von dem Könige nicht 
einmal im Traume gekannt ist. Doch weiss 
er andererseits, dass oft schon dem Munde 
Kleiner ein vollkommenes Lob, eine vollen- 
dete Werthschätzung erhabener Personen 
gelang. Dazu eben fühlt er sich berufen, 
berufen durch die noth wendigen, selten 
vereinten, in ihm waltenden Be- 
dingungen: edles Streben nach Einsicht 
mit welterfahrenem Verstand verbunden 
und geistige Kraft ; er fühlt sich würdig, 



— 49 — 

selbst dem Könige gegenüber die hohe Be- 
deutung der königlichen Würde nach allen 
damit verbundenen Rechten und Pflichten 
besingen zu dürfen, sein Arm schwingt ja 
die Waffe für ihn, sein leibliches Leben 
gehört seinem Herrn, ist dem Könige ge- 
weiht ; sein geistiges Dasein, sein Denken 
und Fühlen ist der Poesie zugewendet, um 
den König zu preisen, des Königs und der 
Nation Ruhm zu verkünden und mit echtem 
Patriotismus die Erinnerung an die Gross- 
thaten der Seinen für alle Zeiten in er- 
habenem Gesang zu bewahren. Nicht ge- 
meinen Lohn sucht er ; sein einziger Wunsch 
ist huldvolle Aufnahme und Billigung seiner 
Bestrebungen von Seite des Königs, der 
allein einem solchen Ve rd i enste 
den gebührenden, wahren Preis 
verleihen kann und soll. 

Mas eu, que fallo humilde, baixo e rudo, 
De Vös näo conhecido, nem sonhado? 
Da boca dos pequenos sei com tudo, 
Que o louYor sähe äs vezes acabado: 
Nem me falta na vida honesto estudo. 
Com longa experiencia misturado, 

4 



- 50 — 

Nem engenho, que aqui vereis präsente, 
Cousas, que juntas se acham raramente. 

Para servir-vos, bra^o ds armas feilo, 

Para canlar-vos, menle as Musas dada; 

S6 me fallece ser a vös acceito, 

De quem virtude deve ser prezada. X. 154. 155. 



XXI. 

Je aufmerksamer, je öfter man die 
Lusiaden liest, — und man kann dieses 
herrliche Buch, wahrer Lebensweisheit voll, 
mit erneuertem, immer wieder frischem, 
vollem Interesse lesen — desto mehr stellt 
sich nach einer genauen Erwägung der 
Gliederungsweise des Ganzen , mit der 
davon unzertrennlichen ästhetischen und 
moralischen Würdigung der Charaktere, 
Handlungen und Situationen die üeber- 
zeugung ein, Camoens habe in einem dem 
Gedichte zu Grunde liegenden Bewusstsein 
der ethischen Zusammengehörig- 
keit von Fürst und Volk, in dem 
ihn beseelenden zum Gemeingeist eines 
Volkes gewordenen echten moralischen 



— 51 — 

Selbstgefühl und in der davon un- 
trennbaren sittlichen Bildung der 
ganzen Nation die stärkste 
Bürgschaft des Bestandes der 
weltgebietenden Stellung und 
der Selbstständigkeit einer 
Nation gefunden, deren eigen t- 
lichesGlück doch nur, um mit Herbart 
zu reden, eine mächtige und wohl- 
wollende Regierung, am besten 
ein edler F ü r st schafft. Es dürften 
aber auch von gar keinem noch so be- 
rühmten Politiker je andere Anker der 
Staatskunst gefunden werden, als diejenigen, 
auf welche Camoens so unverkennbar hin- 
weist: „Pflichtgefühl, Aufmerksamkeit für 
Gründe, Anerkennung des Nothwendigen, 
des Rechten, des Guten, des Schönen, des 
Nützlichen/ n 

So haben wir denn hier einen Mann 
von hoher Begabung, seltenen Kenntnissen, 
reicher Erfahrung, starkem sittlichem Wollen 
und dem edelsten Patriotismus vor uns, 
der seine einzelnen, für sich allein eben 



— 52 — 

SO unwirksam, als unbestimmt und schwan- 
kend bleibenden Reflexionen über die 
Lebensverhältnisse zu einem giltigen, d. i. 
dem Wirklichen entsprechenden Systeme 
zu vereinigen suchte, mit einem Worte, 
wir haben in dem Dichter der 
Lusiaden einen Philosophen vor 
uns, der nicht blos seiner Nation, son- 
dern der gesammten Menschheit zur Ehre 
gereicht, einen Philosophen, der, nach 
300 Jahren, seines Denkens und Dichtens, 
Wissens und Wollens wegen die ehren- 
hafteste Anerkennung verdient, heute und 
immerdar ! 



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